Der Belsnickel und die verlorene Weihnachtsfreude
Es war eine frostige Winternacht, als dichte Schneeflocken wie glitzernde Federn vom Himmel tanzten. Die kleine Stadt Tiefenwald lag still und friedlich unter einer dicken Schneedecke. Nur in einem Haus brannte noch Licht: das Haus der Familie Winterfeld. Dort lebten die Geschwister Emma und Jonas.
„Ich freue mich so auf Weihnachten!“, rief Emma aufgeregt und sprang auf ihrem Bett auf und ab. „Geschenke, Plätzchen und ein riesiger Tannenbaum!“
„Hoffentlich bringt mir der Belsnickel nichts Schlimmes!“, murmelte Jonas leise und zog die Decke bis zur Nase.
Der Belsnickel war ein geheimnisvoller Weihnachtsmann, der nicht nur Geschenke brachte, sondern auch unartige Kinder mit seiner Rute erschreckte. Die meisten Kinder fürchteten ihn ein wenig, aber Emma lachte nur.
„Ach, der Belsnickel! Das ist doch nur eine Geschichte!“, meinte sie und kicherte. Doch Jonas war sich nicht so sicher …
Die geheimnisvolle Begegnung
In dieser Nacht, als alle schliefen, wurde Jonas von einem seltsamen Geräusch geweckt. Draußen knirschte der Schnee. Schritte näherten sich. Dann – klopf, klopf, klopf – hallte es gegen das Fenster!
Jonas hielt den Atem an. Er schlich sich vorsichtig ans Fenster und sah … einen großen, düsteren Mann mit einer langen, zotteligen Felljacke und einer groben Mütze. Sein Gesicht war halb verdeckt, doch seine funkelnden Augen blitzten aus dem Schatten.
„Belsnickel!“, hauchte Jonas erschrocken.
Plötzlich knackte die Tür unten im Haus. Jonas lief eilig in Emmas Zimmer und rüttelte sie wach. „Emma! Wach auf! Er ist da!“
Emma gähnte. „Wer denn?“
„Der Belsnickel! Ich habe ihn gesehen! Er ist im Haus!“
Emma kicherte. „Blödsinn! Vielleicht ein Windstoß?“
Doch da hörten sie es beide: schwere Schritte auf der Treppe. Jonas‘ Herz klopfte wild. Die Tür knarrte. Und dann –
Tapp, tapp, tapp!
Eine große Gestalt trat ins Zimmer. Der Belsnickel stand vor ihnen! Seine Hände waren mit einem Sack gefüllt, und in der anderen Hand hielt er eine Rute.
Jonas und Emma zitterten. „Bitte nicht!“, flüsterte Jonas.
Doch dann passierte etwas Unerwartetes. Der Belsnickel sprach mit tiefer, freundlicher Stimme: „Habt keine Angst, Kinder. Ich bin nicht hier, um euch zu bestrafen. Ich habe etwas verloren – meine Weihnachtsfreude.“
Das große Geheimnis
Jonas und Emma schauten sich erstaunt an. „Deine Weihnachtsfreude?“, fragte Emma vorsichtig.
Der Belsnickel seufzte und setzte sich schwer auf einen Stuhl. „Jedes Jahr bringe ich Geschenke zu den braven Kindern und mahne die frechen. Aber ich habe das Lächeln darüber verloren. Niemand glaubt mehr an mich, und ich fühle mich … überflüssig.“
Emma runzelte die Stirn. „Aber du bist doch wichtig! Du erinnerst uns daran, dass wir freundlich sein sollen!“
Der Belsnickel nickte langsam. „Aber was ist, wenn ich euch einmal brauche? Würdet ihr mir helfen, meine Freude wiederzufinden?“
Jonas und Emma schauten sich an. Dann strahlten sie. „Ja!“
„Dann lasst uns einen Weihnachtszauber entfachen!“, rief der Belsnickel plötzlich. Er holte aus seinem Sack kleine, glitzernde Sternchen und blies sie in die Luft. Sofort wurde das Zimmer von warmem, goldenem Licht erfüllt. Ein weicher Klang von Glocken ertönte, und überall funkelten Lichter.

Jonas und Emma lachten begeistert. „Das ist magisch!“
Der Belsnickel lächelte zum ersten Mal. „Danke, Kinder! Ihr habt mir gezeigt, dass meine Aufgabe noch wichtig ist.“
Ein wundervolles Weihnachtsfest
Plötzlich gähnte Emma. Auch Jonas wurde müde. „Schlaft gut, meine kleinen Helfer“, sagte der Belsnickel sanft und strich ihnen über die Köpfe.
Als sie am Morgen erwachten, war der Belsnickel verschwunden. Doch unter dem Tannenbaum lagen nicht nur Geschenke – sondern auch ein goldenes Glöckchen mit einer kleinen Notiz:
„Danke, dass ihr an mich glaubt. Frohe Weihnachten! – Euer Belsnickel.“
Emma und Jonas sahen sich an und wussten: Es würde ein zauberhaftes Weihnachtsfest werden.
