Brummelbart und das verschwundene Weihnachtslicht
Hoch oben in den verschneiten Bergen, wo die Tannen glitzern und der Wind geheimnisvoll durch die Felsen pfeift, lebte Brummelbart – ein großer, zotteliger Bär mit buschigen Augenbrauen und einer Schnauze, die immer ein wenig mürrisch aussah. Brummelbart mochte vieles: Honig, Mittagsschläfchen und das Geräusch von knirschendem Schnee unter seinen Pfoten. Aber eines mochte er überhaupt nicht – Weihnachten!
Jedes Jahr, wenn die Tiere im Tal ihre Häuser mit leuchtenden Laternen schmückten und fröhlich Weihnachtslieder sangen, knurrte Brummelbart nur und brummte:
„Diese Lichter sind viel zu hell! Diese Musik ist viel zu laut! Und dieser Duft von Plätzchen – viel zu süß!“
Am liebsten zog er sich dann in seine dunkle Höhle zurück und wartete, bis Weihnachten endlich vorbei war.
Doch dieses Jahr war alles anders.
Eines Morgens, kurz vor Weihnachten, weckte ihn ein seltsames Geräusch. Es klang wie ein leises Wimmern, ganz zart und ängstlich. Brummelbart spähte aus seiner Höhle und entdeckte ein kleines Kaninchen, das zitternd im Schnee saß.
„Warum weinst du?“ brummte er.
Das Kaninchen schniefte und erklärte mit tränennasser Stimme:
„Das Weihnachtslicht ist verschwunden! Ohne das Licht gibt es kein richtiges Weihnachten!“

Brummelbart runzelte die Stirn. Was für ein Licht?
„Jedes Jahr entzünden wir eine große, leuchtende Laterne mitten auf dem Dorfplatz“, erklärte das Kaninchen. „Sie bringt uns Wärme, Hoffnung und Weihnachtsfreude. Aber heute Morgen war sie einfach weg!“
Die Tiere im Tal waren verzweifelt. Ohne das Weihnachtslicht würde es eine dunkle, traurige Nacht werden.
Brummelbart wollte gerade zurück in seine Höhle trotten, aber etwas hielt ihn zurück. Ein seltsames Kribbeln breitete sich in seiner Brust aus. Vielleicht war es Mitleid, vielleicht aber auch einfach nur Neugier.
„Na gut“, brummte er, „ich helfe euch. Aber nur, damit ihr aufhört zu jammern!“
Also stapfte Brummelbart mit dem Kaninchen durch den tiefen Schnee. Sie suchten überall: hinter Bäumen, unter Sträuchern und sogar in verlassenen Fuchsbaueingängen. Doch das Licht blieb verschwunden.
Plötzlich entdeckte Brummelbart Spuren im Schnee – kleine, schmale Abdrücke, die sich in den Wald schlängelten.

„Da lang!“ rief er und folgte ihnen mit großen Schritten.
Die Spuren führten zu einer alten, knorrigen Eiche, in der eine freche Elster saß. Sie hatte die goldene Weihnachtslaterne zwischen ihren Krallen und betrachtete ihr eigenes Spiegelbild darin.
„Gib das zurück!“ rief Brummelbart mit seiner tiefen Stimme.
Die Elster schüttelte den Kopf. „Es funkelt so schön! Ich will es behalten!“

Brummelbart dachte kurz nach. Dann nahm er eine glänzende Eichel aus seiner Tasche, die er einst gefunden hatte, und hielt sie hoch.
„Ich wette, du hast noch nie eine Eichel gesehen, die so golden schimmert“, sagte er mit einem listigen Lächeln.
Die Elster blinzelte. „Oh! Die ist wunderschön!“
Brummelbart warf die Eichel in die Luft. Blitzschnell ließ die Elster die Laterne fallen, um nach der Eichel zu greifen. Das Kaninchen fing die Laterne geschickt auf, und gemeinsam rannten sie so schnell sie konnten zurück ins Dorf.
Als die Tiere das Weihnachtslicht wieder auf ihren Dorfplatz stellten, erstrahlte es hell und golden. Freude und Wärme erfüllten das Tal. Alle lachten, umarmten sich und begannen, fröhliche Lieder zu singen.
Brummelbart stand am Rand des Platzes. Er wollte gerade gehen, als das kleine Kaninchen ihn an der Pfote zog.
„Bleib doch bei uns! Ohne dich hätten wir Weihnachten dieses Jahr nicht retten können.“
Brummelbart wollte schon ablehnen, doch dann bemerkte er, wie wohl ihm die warme Luft tat, wie schön die Lichter funkelten und wie köstlich die Plätzchen rochen. Ein Lächeln huschte über seine Schnauze.
Zum ersten Mal in seinem Leben blieb Brummelbart und feierte mit den anderen Tieren Weihnachten. Er lachte, brummte Weihnachtslieder mit und ließ sich von den Kaninchenkindern mit Glöckchen schmücken.
Und als er sich schließlich in seine Höhle zurückzog, brummte er leise:
„Vielleicht ist Weihnachten ja doch nicht so schlecht … vielleicht ist es sogar … schön.“
Und von diesem Tag an liebte Brummelbart Weihnachten.
